Weg von Betonpolitik

„Der Verkehrssektor ist derzeit für etwa ein Fünftel der Treibhausgasemissionen Deutschlands verantwortlich. … Der größte Teil stammt dabei aus dem Straßenverkehr. Verbesserungen der Fahrzeugeffizienz sind durch die gleichzeitige Zunahme der Verkehrsleistung, der Motorenleistung und des Gewichts der Fahrzeuge aufgezehrt worden. Spätestens bis zur Mitte des Jahrhunderts sollte auch der Verkehr nahezu vollständig treibhausgasneutral sein. Angesichts eines knappen verbleibenden Emissionsbudgets, das noch mit den Paris­Zielen vereinbar ist, ist ein unverzügliches und konsequentes Umsteuern erforderlich.“

Bild: pixabay

So beschreibt der Sachverständigenrat für Umweltfragen in seinem 2017 veröffentlichten Sondergutachten Verkehr die Problemstellung für die kommenden Jahre und lässt dann auf ca. 170 Seiten seine Bestandsaufnahme und seine Empfehlungen an die Politik folgen.

Ein Vorschlag unter vielen ist die Einführung eines allgemeinen Tempolimits für Pkw auf Autobahnen. Der Sachverständigenrat erwartet neben direkten Effekten auf den Kraftstoffverbrauch und die CO2­Emissionen durch eine Verringerung der Höchstgeschwindigkeiten und eine Verbesserung des Verkehrsflusses auch indirekte Effekte: So würde ein allgemeines Tempolimit voraussichtlich unter anderem dazu führen, dass die durchschnittliche Motorenleistung und das Gewicht der Fahrzeuge abnehmen würden.

Dem wissenschaftlichen, nüchternen und vernünftigen Blick auf die Verkehrspolitik trotzten bislang die Dinosaurier VDA (Verband der Deutschen Autoindustrie), ADAC, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer – und mit ihm in Geiselhaft – die gesamte Große Koalition, sowie je nach Umfrageinstitut eine immer kleiner werdende Gruppe von Bürgern, die die erlaubte Raserei auf deutschen Autobahnen für den Inbegriff von Freiheit hält.

Beim ADAC hat es nun offenbar Bewegung gegeben und der Club verzichtet nach eigenen Angaben derzeit auf eine Empfehlung Pro oder Contra Tempolimit. Diese überraschende Abkehr von der bisher gepflegten Betonpolitik hat die Diskussion neu belebt.

Die für diesen Bericht aufgeworfene Frage beantworte ich so: Ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen ist kein großer Wurf für den Klimaschutz, aber es ist natürlich auch keine zu vernachlässigende Größe! Die Einführung wäre kurzfristig realisierbar, kostengünstig und würde sofort wirken. Ich meine: Die Bundesregierung sollte in der Verkehrspolitik ihre Gefühlsduselei aufgeben und der Wissenschaft folgen.

Erschienen als „Bericht aus Berlin“ in der Eckernförder Zeitung am 30.01.2020 zur Fragestellung: „Ist ein Tempolimit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen ein großer Wurf für den Klimaschutz oder eine zu vernachlässigende Größe?“