Der Klimawandel ist Realität, wir sind mittendrin. Angesichts der dramatischen Klimaveränderungen müssen wir als Gesellschaft handeln – auch in unserer Verantwortung als Kreis und Gemeinde.
Am 29. Juni 2020 haben wir im Kreistag darüber abgestimmt, ob wir eine Klimaschutzagentur als eigene Gesellschaft gründen wollen oder als Aufgabe des Kreises in der Kreisverwaltung organisieren wollen.
Es ging darum, wie wir den Klimaschutz am besten und effektivsten organisieren und wie wir die knappen öffentlichen Mittel so einsetzen, dass damit ein Maximum an CO2 eingespart wird. Allein das ist unser Maßstab!
Wir wollten immer neben dem jetzigen Klimaschutzmanager drei neue Stellen für den kommunalen Klimaschutz und zur Unterstützung aller Kommunen im Kreis schaffen. Eine Mehrheit im Kreistag hatte aber am 17. Juni 2019 die Gründung einer Klimaschutzagentur als eigene Gesellschaft beschlossen. Wir haben trotz erheblicher Bedenken gegen eine externe Klimaschutzagentur im Hauptausschuss dem Entwurf für einen Gesellschaftsvertrag zugestimmt, weil wesentliche Punkte von uns aufgenommen wurden:
1. Eine allgemeine Klimaschutzberatung für alle Gemeinden im Kreis und nicht nur für die Mitglieder.
2. Die Umsetzung von konkreten Maßnahmen zum Klimaschutz und keine allgemeine Informationsarbeit zum Klimawandel.
3. Die Gemeinnützigkeit als Grundlage für die Gründung einer gGmbH und die damit verbundene Steuerbegünstigung für die Beiträge der Gemeinden.
Diese letzten beiden Voraussetzungen (2. und 3.) sind seit Montag Makulatur! Als Tischvorlage (!) legte die Verwaltung einen neuen Entwurf vor und teilte uns mit, dass für alle Leistungen der KSA für die Gemeinden wie Beratung oder Antragstellung 19 % Umsatzsteuer fällig würde!
Die ursprünglichen Versprechen für einen Beitritt zur Klimaschutzagentur (KSA) waren, dass die Gemeinden örtliche Klimaschutzkonzepte, einen eigenen Klimamanager, Manager für eine Quartiersanierung oder günstige Preise im gemeinsamen Einkauf erhalten. Also ein Rundum-Sorglos-Paket für den Klimaschutz. Das alles steuerbegünstigt in einer gGmbH.
Leider hatte die Verwaltung versäumt, vorher beim Finanzamt eine Auskunft über die Gemeinnützigkeit und damit die Steuerbegünstigung einzuholen. Eine verbindliche Auskunft wurde uns immer wieder zugesagt, zuletzt im März, dann zum letzten UBA, jetzt zum heutigen HA. Dabei hatte ich bereits in meiner Kreistagsrede im Juni 2019 gemahnt: “Eine KSA als eigenständige Gesellschaft unterläge der Umsatzsteuer. Auf alle Leistungen, die die Gemeinden beziehen wollen, würden 19 % anfallen. Somit stünde rund ein Fünftel der Gelder, die für den Klimaschutz gedacht waren, für diesen gar nicht zur Verfügung.“
Das hätte auch eine Kreisverwaltung mit ihren kompetenten Juristen wissen können! Stattdessen musste über ein Jahr ins Land gehen, um diese Erkenntnis zu erhalten.
Was bedeutet das für die Gemeinden, die Mitglied werden wollen?
Wenn sie für ihren Mitgliedsbeitrag konkreten Leistungen für ihren Klimaschutz vorort, und das ist ja ihre Motivation für einen Beitritt, von der KSA erhalten wollen, müssen sie darauf 19 % Umsatzsteuer abführen. Steuerfrei wäre nur die Finanzierung allgemeiner Informationsarbeit, allgemeiner BürgerInnenberatung und Aufklärung zum Klimaschutz. Warum sollte eine Gemeinde also beitreten? Für ihr Anliegen, die konkrete Antragstellung, also das häufig mühselige Ausfüllen zahlreicher bürokratischer Anlagen könnte besser die öffentlichen Institutionen unseres Landes, die darin die meiste Erfahrung haben, beauftragen. Eine KSA müsste sich dieses Know how erst aneignen.
Was bedeutet das für den Kreis?
Mit jährlich 275.000 € wäre er zwar der Hauptfinanzierer der KSA, aber alle Leistungen müsste er mit 19 % Aufschlag für die Umsatzsteuer und mit einem Aufschlag für die Verwaltung der KSA einkaufen. Also wenn der Kreis für die Feuerwehrzentrale oder das neue Kreishaus künftig Förderanträge für Klimaschutzinvestitionen stellen möchte, müsste er dafür die KSA beauftragen. Mit dem Weggang der Klimaschutzmanager wäre auch das Fachwissen nicht mehr in der Kreisverwaltung, wichtige Synergieeffekte entfielen.
Der Kreis könnte z.B. im Rahmen der Umsetzung seiner kreisweiten Klimaschutzstrategie – auf die warten wir übrigens auch schon sehr lange – regionale und örtliche Klimaschutzkonzepte entwickeln, ohne dafür Umsatzsteuer zu zahlen. Nur die konkrete Antragstellung durch Gemeinden oder Dritter in deren Auftrag wäre dann umsatzsteuerpflichtig! Aber solche Modelle fehlten leider im Vergleich. Genau die haben wir aber eingefordert, damit die Gelder für den Klimaschutz verwendet werden können und nicht zu einem Fünftel für das Finanzministerium (auch wenn das Olaf Scholz freut).
Fazit: Der Wegfall der Gemeinnützigkeit für die Beiträge von Kreis, Ämtern und Gemeinden ist der Wegfall der Geschäftsgrundlage einer gGmbH. Da könnten wir auch ein Ingenieurbüro gründen.
Die zweite wesentliche Änderung des Entwurfs des Gesellschaftervertrages betrifft den Gegenstand des Unternehmens, also den Satzungszweck. Wir waren uns bisher alle einig, dass wir konkrete Klimaschutzmaßnahmen vorort fördern wollten. Um die Gemeinnützigkeit zu erlangen, standen in der Tischvorlage nun allgemeine Zwecke: „Maßnahmen zur Aktivierung und Motivierung … für den Klimaschutz, insbesondere durch Öffentlichkeitsarbeit, Klimaschutzkampagnen, die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements und die Organisation von themenbezogenen Veranstaltungen.“
Na klar, das ist alles gemeinnützig – das machen NABU und zig andere Vereine und Verbände schon lange, ebenso örtliche Initiativen. Aber als Kreisgesellschaft mit aufwändigen Kampagnen darüber aufzuklären, dass wir im Klimawandel leben und dass wir unser Klima schützen müssen – was bringt das? Wollen wir den x-ten Verein gründen, der über den Klimaschutz informiert? Die Klimaleugner und Verschwörungsanhänger wird es nicht überzeugen, und die anderen wissen es schon!
Der andere neu dazugekommene Zweck ist natürlich auch gemeinnützig: „Ansprechpartner für alle Akteure und für alle am Klimaschutz interessierten Bürgerinnen und Bürger!“ Das leisten aber schon die Verbraucherzentralen, ebenso die zahlreichen Energiesparberatungen der Umweltverbände und der Stromversorger. Wollen wir denen mit öffentlichen Geldern Konkurrenz machen? Da wäre es effektiver, diese Organisationen (natürlich nicht die Stromversorger) direkt zu fördern.
Fazit: Mit diesen Änderungen wurde der von uns gewünschte und von allen so beschlossene Zweck entstellt, wir wollten nur konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz fördern! Für uns ist es wichtiger, weitere CO2 Emissionen zu verhindern, als auf dem Rendsburger Herbst mit einem Infostand über die Gefahren des Klimawandels zu informieren.
Einer KSA in der jetzt neu präsentierten Form konnten wir daher nicht zustimmen. Wir wollten weitere Optionen mit einer KSA innerhalb der Kreisverwaltung prüfen, um einen teuren Irrweg und die Verschwendung knapper öffentlicher Mittel zu verhindern.
Nicht einmal dazu konnte sich die Jamaika-Mehrheit im Kreistag verständigen: Augen zu und durch war das Motto, koste, was es wolle! Und eine solch weitreichende Entscheidung aufgrund einer Tischvorlage der Verwaltung!
Was bleibt jetzt für die Gemeinden? Ihr solltet Euch die Beratungsleistungen bei den bestehenden Institutionen des Landes, die seit langem das beste Fachwissen besitzen, einholen. Die können auch gleich für Euch die nötigen Förderanträge stellen.
Und zur Finanzierung: Auf Initiative von SPD und WGK legt der Kreistag ein 2-Millionen-Euro Förderprogramm für alle Gemeinden, Ämter, Schulträger und Träger von KiTas und Sportstätten auf. Damit sollte keine Klimaschutzmaßnahme im Kreis am fehlenden Geld scheitern!
Die Richtlinie stellen wir Euch im nächsten Kreisinfo vor, wir wollten sie am Montag verabschieden. Stattdessen wurde eine KSA durchgedrückt, auf Grundlage einer Tischvorlage! Der vorhandene Konsens, Klimaschutz gemeinsam anzupacken, wurde einfach weggewischt. Verantwortliches Handeln und klimapolitische Kompetenz sehen anders aus!
Zur Person:
Hans-Jörg Lüth, Jahrgang 1950, aus Bordesholm, Mitglied des Kreistages Rendsburg-Eckernförde, dort im Hauptausschuss, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, Sprecher für Finanzen und Abfallpolitik. Er ist Mitglied im Aufsichtsrat der Abfallwirtschaft Rendsburg-Eckernförde (AWR) und der Tochter AWR-Bioenergie (ABE), dort Vorsitzender sowie Vorstandsmitglied im Schleswig-Holsteinischen Landkreistag.